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Infrarot-Photonen verteilen Quantenschlüssel am Tage

Infrarot-Photonen verteilen Quantenschlüssel am Tage

Mit quantenverschränkten Photonen, per Satellit übertragen, können Kommunikationspartner auf der Erde sichere Schlüssel erzeugen. Eine Neuentdeckung ermöglicht dieses Verfahren künftig auch am Tage.

Mit dem Satelliten Micius brach China im Dezember 2016 gleich mehrere Rekorde: Zwei 1200 Kilometer voneinander entfernte Bodenstationen empfingen ein von Micius verschicktes, aufgeteiltes Paar quantenverschränkter Photonen. Und obwohl der erdnahe Satellit binnen weniger Minuten von Horizont zu Horizont rast, gelang es zwei Bodenstationen bereits 2017, genügend verschränkte Photonen aufzufangen, um einen gemeinsamen Schlüssel zu vereinbaren (Quantenschlüsselaustausch, Quantum Key Distribution QKD). Verschränkte Photonen teilen sich gewissermaßen einen quantenmechanischen Zustand, unabhängig von ihrer Entfernung zueinander. Es ist nicht möglich, eines auf seinem Weg vom Satelliten zur Bodenstation unbemerkt abzufangen und auszulesen, ohne gleichzeitig den Zustand des anderen zu verändern.
Im Juni 2020 hat das chinesische Forscherteam um Professor Jian-Wei Pan Optimierungen gemeldet: Mit größeren Teleskopen am Boden und verbesserten Algorithmen, die die Spiegel des Satelliten während des Überflugs nachführen, gelang der Schlüsselaustausch über verschränkte Photonen mit 1120 Kilometer Distanz auf der Erde. Dabei betrug die Bitrate allerdings kümmerliche 0,12 Bit pro Sekunde, und das auch nur nachts.

Quantensichere Schlüssel aus dem All

Bei der Verschränkung handelt es sich um ein Phänomen der Quantenmechanik. Zwei verschränkte Photonen teilen sich gewissermaßen einen Zustand – ganz unabhängig von ihrer Entfernung zueinander. Misst man eines der beiden Photonen aus, endet die Verschränkung, was im selben Moment am anderen Photon erkennbar ist.

Der Quantenschlüsselaustausch bietet eine beweisbar sichere Methode, um binäre Schlüssel zu verteilen. Dazu detektieren zwei Bodenstationen die verschränkten Photonenpaare eines Satelliten und verständigen sich anschließend darüber, welche Paare an beiden Stationen angekommen sind. Aus diesen bilden sie dann Schlüssel für eine symmetrische Verschlüsselungsmethode wie etwa AES. Ein Angreifer, der die Photonen zwischen Satellit und Bodenstation abfängt und ausliest, beendet die Verschränkung – der Abhörversuch fliegt auf.

Hannover setzt auf Infrarot

Ein Durchbruch, der diese Form der Quantenkommunikation noch sehr viel interessanter macht, wird nun aus Hannover gemeldet: Selbst im Sonnenschein können Photonenpaare den weiten Weg aus dem Orbit zum Boden überstehen – mit einem Verfahren, das ein Team um Professor Michael Kues an der Leibniz-Universität entdeckt hat. Der Trick: Die Sonne strahlt am stärksten im sichtbaren Spektrum und liefert damit auch eine große Menge störender Photonen, die die Detektion an einer Bodenstation behindern. Im Infrarotbereich, zum Beispiel bei einer Wellenlänge von 2,1 Mikrometern, ist diese Störung geringer. „In diesem Wellenlängenbereich haben wir etwa dreimal weniger störende Hintergrundstrahlung als beim sichtbaren Licht“, betont Kues. Hinzu kommt, dass die Atmosphäre natürliche Transmissionsfenster bietet. Denn die vorherrschenden Gase absorbieren Photonen bestimmter Wellenlängen, während sie andere ungestört durchlassen. Innerhalb eines Transmissionsfensters lassen sich verschränkte Photonen entweder über längere Strecken übertragen oder eben höhere Bandbreiten erzielen.

Für ein solches Transmissionsfenster haben nun die Hannoveraner gemeinsam mit Forschern der University of Glasgow und des japanischen NICT (National Institute of Information and Communications Technology) eine Lösung gefunden. Mit einem Kristall aus Lithiumniobat spalten sie ultrakurze Lichtpulse einer Laserquelle in polarisationsverschränkte Photonenpaare auf. Hierzu nutzte das Team erstmals einen Einzeldetektor für Photonen mit der Wellenlänge von 2,1 Mikrometer.

Schwachpunkt Detektion

Die Detektion ist derzeit allerdings ein Schwachpunkt des neuen Ansatzes. Andere Forschergruppen setzen Einzeldetektoren für Wellenlängen zwischen 700 und 1550 Nanometer ein und erkennen damit bis zu 90 Prozent der Photonen. Der neue Detektor für die Wellenlänge von 2,1 Mikrometer erreicht dagegen lediglich zwei Prozent. Das schmälert den Vorteil der neuen Technik.

Damit sind die künftigen Forschungsvorhaben klar, wie Kues skizziert: Auf der einen Seite wollen die Forscher die Quanteneffizienz ihrer Einzelphotonendetektoren erhöhen und auf der anderen Seite eine kleinere Photonenquelle konstruieren. In Hannover etwa konzipieren sie photonische Chips mit Siliziumwellenleiter bei Kantenlängen von jeweils etwa 0,5 Zentimeter. „Wir denken an ein System, das samt Laserquelle mit einem kleinen Standardsatelliten wie etwa Cubesat im Orbit platziert werden kann“, berichtet Kues. Gemeinsam mit Herstellern von Satellitensystemen stellt er derzeit ein Projekt zusammen, an dessen Ende in etwa vier Jahren eine derart kompakte Photonenquelle stehen soll.

 

Quelle: https://heise.de/-4797757